oder kann man 1000 km ohne einen Kreis fliegen?
Bericht von Jürgen über seinen Fliegerurlaub in Südafrika.
„Worcester, das ist erst einmal der Cape Gliding Club. Ein sehr gastfreundlicher Verein mit in erster Linie natürlich südafrikanischen, aber auch zugewanderten internationalen Mitgliedern. Darüber hinaus hat sich Worcester in den letzten Jahren als Top-Destination für Segelflugtouristen entwickelt.
Worcester selbst ist eine mittelgroße Stadt 100 km östlich Kapstadt und hat einen Verkehrsflugplatz, ausgestattet mit 1500 m Hauptbahn, Diagonalbahn, Abstellflächen mit 20 Hallen, Vereinsheim mit Restaurant. In den Hangars sind auch die Flugzeuge internationaler Gäste stationiert, viele davon sind zu chartern.
Was nun macht den Platz und das Fliegen hier so speziell? Zwischen den landwirtschaftlich genutzten tiefen Ebenen nördlich und östlich Kapstadts und den hoch gelegenen Wüsten des Inlandes liegt ein ostwest- und nordsüd-orientiertes Gebirgssystem. Die einzelnen Berge sind mehr oder weniger wie an einer Perlenkette aufgereiht, die Höhen schwanken zwischen 500 und 1500 m. Die „Langeberge“ mit einer Ausdehnung von 250 km in Ostwestrichtung, die sogenannte „Frontridge“ mit 150 km in Nordsüdrichtung sowie die „Cedarberge“ , ebenfalls Nordsüd, 100 km sind die wesentlichen Spielwiesen für Streckenflug.
Berge allein generieren aber kaum Aufwinde. Während in unseren Breiten Berge durch den schrägen Einstrahlungswinkel die gesuchten Thermikspender sind, erwärmt in Südafrika die hochstehende Sonne die Ebenen mehr als die Bergflächen. Hier kommt das Windsystem ins Spiel. Bei bestimmten Druckverteilungen in Verbindung mit Seebrisen entstehen in der Kapregion sehr starke Windfelder. Im Idealfall westliche Winde die durch die Brise der meernahen östlichen Gebiete auf Süd gedreht werden. In Verbindung mit Thermik produzieren die Hänge so starke Aufwinde. Ein sich jetzt vielleicht aufdrängender Vergleich mit den deutschen Hangfluggebieten in Niedersachsen geht fehl. Zum einen sind die Windgeschwindigkeiten erheblich höher. So wird in Worcester oft bei Bodenwind von 50 – 60 km/h gestartet. Unterwegs sind 80 km/h auch nicht ungewöhnlich. Dazu kommt, dass sich im Übergang von den westlich zu den südlich orientierten Winden eine ausgleichende Konvergenz mit dem Effekt heftiger Turbulenzen am Berg entsteht. Worcester liegt im Bereich dieser Konvergenz …
Selbstredend, dass bei diesen Bedingungen, vor allem nach Durchzug einer Kaltfront auch Wellen entstehen.
Wie sieht das Fliegen konkret aus? Die Anfangsphase gestaltet sich meist doch sehr anspruchsvoll. Die platznahen Berge sind sehr zerklüftet und hoch. Bei lokal unsteten starken Winden (Konvergenz!) gilt es von Luv zu Luv zu springen, die heftigen Lees zu vermeiden. Der Flug findet hier ausnahmslos deutlich unter Gipfelniveau statt. Erreicht man glücklich die ersten langen Hänge und stellt fest, dass diese auch gut im Wind liegen, was nicht immer der Fall ist, geht Trimmung und Knüppel langsam nach vorn. Je nach Streckenwahl sind auch einige wenige Pässe sowie topographisch knifflige Abschnitte zu bewältigen. Nicht selten findet man sich dann in geringer Höhe über dem Flachland wieder. Außenlandemöglichkeiten gibt es dank Landwirtschaft ausreichend. Sind dann die Windsysteme gut eingespielt, ist zulässige Höchstgeschwindigkeit angesagt. Selbstredend, dass Turbulenzen den Adrenalinspiegel hoch halten!
Nach Januar 2022 und Januar 2023 bin ich jetzt zum dritten Male hier. Dieses Mal hatten wir 8 Flugtage, darunter einige sehr gute , aber auch einen schönen Streckenflug in Hang und Welle sowie zwei Ausflüge zum Meer. Zurück zur Ausgangsfrage. Ja, es geht! Am 8.und letzten Flugtag waren die Bedingungen an der Frontridge ideal und erlaubten unglaublich schnelles Fliegen. Und irgendwie haben wir darüber das Kreisen ganz vergessen 😉.“
Jürgen
Worcester, 07.08.2024
Hier sind einige Bilder aus dem Cockpit zu sehen:






Kartenansicht aller Flüge aus dieser Saison:

Link zu den Flügen auf WeGlide: Worcester_2024
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